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Schwere in den Füßen, Leichtigkeit im Kopf!

  • Autorenbild: Christine Ubeda Cruz
    Christine Ubeda Cruz
  • 5. Aug.
  • 4 Min. Lesezeit
Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele

Dienstag, 5. August in Deutschland. Gefühlt mindestens 80 % der Bevölkerung scheint in Ferien zu sein. Und die hier verbliebenen 20 %? Machen vielleicht-wahrscheinlich das, was die anderen 80 % irgendwo anders in der Welt auch tun: Den Kopf gebeugt halten, den Rücken rund machen, krampfhaft dieses kleine „fast alles könnende“ Gerät in der einen Hand halten und mit der anderen Hand zuckend oder wischend über die spiegelnde Fläche streichen.


Da kann sich ein kritischer Geist durchaus mal die Frage stellen? Warum fahren diese gefühlt 80 % in die Ferien? Wenn sie denn dort das Gleiche tun, wie zu Hause. Wegen der anderen Umgebung? Wegen der stärkeren und momentan auch wärmeren Sonne? Oder – und da fällt mir das Pareto-Prinzip, die 80/20-Regel ein? Kennst Du, oder? Hier ein Beispiel: 80 % der Aufgaben können mit 20 % des Einsatzes erledigt werden. Läuft. Funktioniert in der Ferienzeit, wenn man denn zu Hause bleibt, ganz gut – nicht wahr?


Ich hab‘ grad keine Idee, wie ich nun die 80/20 Regel mit dem heutigen Zitat auf meinem Kalender


Wandern ist eine Tätigkeit der Beine und ein Zustand der Seele

Josef Hofmiller


in einen sinnvollen Kontext bringe. Und genau deshalb verhalte ich mich jetzt wie eines der gefühlt 0,01 %, die dieses kleine Gerät einfach mal zeitweise ignorieren. Das Ding und ich lassen nun einfach mal voneinander. Stattdessen schnüre ich meine Schuhe und geh‘ in den Wald.


Mir ist nicht ganz klar, wann Frau von einem Spaziergang oder von einer Wanderung spricht. Handelt es sich schon um eine Wanderung, wenn Frau entsprechendes Schuhwerk trägt? Gut, mach’ ich ständig. Die festen Treter sind gut zu meinen Füßen. Wie auch immer: ich stapfe freudig los. Ganz schön duster heute früh um kurz vor sieben. Aber die Luft ist wunderbar klar, wie frisch gewaschen. Gut, regnet ja auch ständig. Nur gerade jetzt nicht. Im Wald tropft es von den Blättern. Und am Boden matscht es. Zum Glück habe ich die Schnürsenkel straff gebunden. Sonst würden meine Füße jetzt, nach nur wenigen Schritten, schon ohne Schuhe weiter rutschen. Na das fängt ja gut an. Kraftvoll aber doch vorsichtig ziehe ich mit beiden Armen den rechten Fuß aus der ihn umschlingenden Matschkule und hoffe auf etwas festeren Boden im Umfeld. Ah gut, das funktioniert. Mit einer leichten Drehung und erneuter Unterstützung durch die Arme entreiße ich mit einem lauten Schmatz dem Schlammloch mein zweites Bein samt Schuh. Puh, Glück gehabt. Nach nur wenigen Schritten schon die erste Prüfung des Tages gemeistert. Ok, denke ich, dieser Weg ist heute nicht meiner. Und biege ab. Auf einen breiten Versorgungsweg mit viel Schotter. Hier bin ich vor Schlamm einigermaßen sicher. Ist das da vorne, über den Weg beugen sich tiefgrüne Buchen und Eichen, ist das etwa Nebel? Jetzt, am 5. August? Je näher ich komme, umso klarer wird die Aussicht. Ist wohl doch nur Dunst. Zügig laufe ich weiter, bedauere, dass die ersten Brombeeren vertrocknet und die zweiten nun fast alle verschimmelt sind. Doch hin und wieder gelingt mir ein Glücksgriff: Eine süße, reife Frucht. Oder ’ne halbreife, saure. Aber manchmal auch: eine weiche, die stark an einen Schnaps erinnert. Die Abwechslung macht’s, auch beim Waldfrühstück.


Nach etwa 30 Minuten meines Weges in der Natur, bewusst mein Umfeld wahrnehmend, fühle ich tiefe Zufriedenheit in mir. Sie flutet jede Zelle meines Körpers, ich kann mein Innen hören. Und das ist – für mich immer wieder erstaunlich – erst einmal ganz still. Während meine Füße wie von selbst einen Schritt nach dem anderen setzen, erfüllen mich eine wohltuende, fast schon meditative Weite, zufriedene Stille und fröhliche Glücks-Hupfer. Wahrscheinlich laufe ich wie ‚'ne „Grinse-Katze“ durch die Gegend.


Vielleicht meint Hofmiller* mit seinem Zitat, das Wandern nicht nur eine Fortbewegung, sondern eine ganzheitliche Erfahrung ist, da die Bewegung des Körpers Einfluss auf den Zustand der Seele nimmt. Diese Interpretation mag ich. Denn ich spüre sie – siehe oben. Und damit wäre ich auch wieder beim Pareto-Prinzip. Ich erlebe bei meinen Streifzügen durch den Stadtwald oft, dass 20 % des Weges – ein Reh kreuzt den Weg, eine Hand voll reifer, süßer Brombeeren, der ruhige Moment in und mit mir – 80 % meines inneren Erlebens ausmachen. Für mich sind es weniger die Kilometer, als viel mehr die Augenblicke, die zählen.


Nach gut sieben Kilometern und dem gekonnten „Umlaufen“ weiterer Schlammlöcher komme ich patschnass, denn der Himmel hat erneut seine Schleusen geöffnet, aber glücklich, wieder zu Hause an. Ich benötige eine Spachtel, um den Schlamm von den Schuhen zu kratzen. Die Regenjacke ist innen und außen nass. Und ich wohl auch. Mit roten Wangen strahle ich meinen Lieblingsmenschen an, der lächelnd in der Küche steht. „Bist mal wieder nass geworden!“, stellt er kopfschüttelnd fest. Ich nicke und trolle mich ins Bad.


Was sonst noch so an diesem Dienstag passiert ist? Nichts Spektakuläres. Schreibtisch, Haushalt, Wochenmarkt. Mittagessen zubereiten. Es gab selbstgemachte Semmelknödel mit Pfifferlingen in Sahnesauce, dazu ein grüner Salat. War sehr lecker, regional und zur Jahreszeit passend. Schreibtisch. Und gerade rief eine Freundin an. Sie hat von einer Nachbarin gefühlt 10 Kilo Mirabellen bekommen. Ich „wandere“ jetzt – mit Sneaker, weil nur etwa 800 Meter entfernt – zu ihr und darf mir so viele nehmen, wie ich mag. Ich mag. Nur: Was mache ich aus und mit den Mirabellen? Hast Du ’nen guten Tipp, der weiter geht als Marmelade, Kuchen oder einmachen?



Bei #FrauBrüllen geht es am Fünften eines jeden Monats darum, das "gute, alte" Tagebuch-Bloggen wieder zu beleben. Der Hashtag #WMDEDGT steht für "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?" Guckst Du, liest Du oben :-)





*Vielleicht mein Hofmiller aber auch die Seelenwanderung, die in verschiedenen Religionen den Zyklus von Geburt, Tod und Wiedergeburt beschreibt. Diese These war mir aber zu duster an diesem dunken Morgen, der sich über den Tag in einen sonnigen Abend wandelte

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