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Echt, deftig und lecker – und Karotten machen Karriere

  • Autorenbild: Christine Ubeda Cruz
    Christine Ubeda Cruz
  • vor 6 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit
 Nette Usbeken auf dem Markt von Chiva
Fröhliche Usbeken

Ja, ich gebe es zu: Ich liebe gutes Essen! Dabei vollkommen nebensächlich: Menükarten-Poesie und Sterne-Schnickschnack. Dafür bitte echter Geschmack, der von der Hand in den Mund und von dort direkt ins Herz bzw. ins Belohnungszentrum geht und dabei die Seele kitzelt. Wenn ich in eine Tomate beiße und die Sonne schmecke, dann ist das für mich wie Urlaub. Und genau DAS hab’ ich in Usbekistan gefunden. Nur das ich vorher keine Ahnung hatte, was mich erwartet. Vor allem nicht, was das Essen angeht.


Usbeken versuchen gerne, die Herzen der Besucher mit freundlichen Gesten, die meist etwas mit Essen und Trinken zu tun haben, zu gewinnen. Vor dem Museum staune ich, wie ein Junge frischen Granatapfelsaft presst. Schon reicht mir eine Frau ein Stück der tiefroten Frucht. Ich schaue fragend auf die weißen Kugeln, die in großen Säcken auf dem Basar liegen, da liegt schon eine in meiner Hand. Die Verkäuferin mit dem bunten Kopftuch nickt mir zu "Probier mal" – und ich? Ich tue es. Ein Bissen – und mein Gesicht verzieht sich, als hätte ich gerade in eine besonders sauere Zitrone gebissen. „Qurut, Qurut, gut“ lacht die Marktfrau. Ira, unsere Reiseleiterin, übersetzt: "Das ist fermentierter Quark zu Kugeln geformt und getrocknet. Ein beliebter Proteinsnack, gerne auch aromatisiert mit Kräutern und Gewürzen, wird ständig und überall genascht." Ich nicke artig und denke mir: "Ok, gerade hast du deinen ersten und letzten Qurut gekostet".


Du ahnst es sicher schon: Wir sind auf dem Markt. In der großen, lichtdurchfluteten Halle des Chorsi Basars in Tashkent gibt es alles, was für ein gutes Essen einer usbekischen Großfamilie wichtig ist. In der einen Ecke duftet es verführerisch nach Muskat, Nelken und Zimt, in der anderen nach frischem Brot. Viele Hände strecken mir Nüsse, getrocknete Früchte, Halva und Honigwaben entgegen. Alle Kostproben schmecken fantastisch. Die Marktfrauen sind fröhlich, zugewandt, neugierig, aber nie aufdringlich. Es ist hier üblich, das Besucher erst kosten und bei Gefallen kaufen.




Natürlich gibt es hier alle Gemüse der Saison. Die Auswahl ist wie bei uns. Nur mit mehr Karotten, als ich in meinem Leben je gesehen habe. Kein Wunder. Usbekistan ist "Karotten-Vize-Weltmeister", nach China. An vielen Ständen schneiden schwatzende und lachende Marktfrauen in atemberaubender Geschwindigkeit die dicken Rüben in Streifen, die in großen Mengen für das Nationalgericht Plov benötigt werden. In einer anderen Sektion der Markthalle gibt es vor allem Rind- oder Lammfleisch, aber auch Geflügel. Irritiert stehe ich vor einem großen Berg Fett. Und Ira klärt auf. „Das ist das Schwanzfett des Karakul-Schafs, das in Usbekistan heimisch ist. Das reichhaltige Fett ist ein wichtiger Bestandteil und eine Delikatesse der usbekischen Küche“. Im nächsten Gang staune ich erneut. Wie kommt Kimchi hierher? Schnell erinnere ich mich, dass es eine große koreanische Community im Land gibt. Und ja, fermentiertes Gemüse ist gut haltbar und sehr bekömmlich zu fettigen Fleischspeisen.



Essen in Usbekistan – Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch


Als Vegetarier brauchst du hier drei Dinge: einen starken Magen, viel Verständnis und noch mehr Humor. Denn den meisten Usbeken scheint „das Konzept“ der tierlosen Ernährung nicht verständlich zu sein. Da kann es durchaus vorkommen, dass kurz vor dem Servieren noch schnell versucht wird, die Fleischstücke aus dem Gericht zu pulen – mit mehr oder weniger Erfolg.


Dafür gibt’s für die anderen Gäste umso mehr: Lamm am Spieß, Lamm im Tandori, Lamm in der Suppe. Das geht auch mit Rindfleisch. Oder mit Hähnchen. Die Standardbeilage dazu: rohe Gemüsezwiebel. Oft wird auf einem Platz am Rande der Straße auf Gas gekocht. Daneben macht man es sich auf dem Taptschan, einem Holzgestell, ausgelegt mit Teppichen und Polstern, gemütlich. In Sichtweite hantieren Männer am Lehmofen. Hängen Lammstücke, auf Draht gefädelt, in den Tandori und verschließen mit feuchtem Lehm den Deckel. Nach etwa einer Stunde ist das wunderbar duftende, zarte Fleisch fertig. Auf einem Holzblock hacken die Tandori-Meister die großen Stücke in kleinere Portionen. Hier bestellt man Lamm Kiloweise. Die Männer guckten ungläubig, als wir "EIN KILO FÜR ZWÖLF LEUTE" bestellten. Aber – wir wollten nur probieren! Was bei uns besonders nachhaltig "from Nose-to-Tail" genannt wird, ist in Usbekistan normal: Da liegt dann auf dem 1Kilo-Brett auch ein Stück Lammhals, Leber und Fett. Und alles schmeckt verdammt gut.




An jeder Straßenecke gibt es Samsa. Die knusprigen Teigtaschen gefüllt mit Hackfleisch, Kartoffeln, Spinat, Hühnchen oder, auch hier haben die großen Früchte gerade Saison, Kürbis. Saftig und sättigend lecker, mit einer guten Prise Kreuzkümmel kommen sie direkt aus dem Lehmofen in die Hand oder auf den Teller.


Und dann das Brot – frisches Nan. Brot ist in Usbekistan mehr als ein Nahrungsmittel, es ist eine Philosophie. Die frischen Fladen ähneln kleinen Kunstwerken. Dafür gibt es extra Brotstempel! Im Ferghana-Tal sind die Brote dünn und aufwendig gestaltet, in Buchara dick und üppig mit Butter. "Brot ist heilig", sagt Ira. "Man schneidet es nie, man teilt es. Und das machen traditionell die Männer am Tisch."



Plov: Das Nationalgericht, das Alexander der Große (vielleicht?!?) erfunden hat


Jeder sagt: "Du musst Plov probieren!". Und klar: Das habe ich. In der guten Stube einer usbekischen Familie, bei der wir zu Gast waren. Der deftige Reistopf mit Lamm, viel Knoblauch und noch mehr Karotten ließ meinen Cholerstinspiegel wahrscheinlich laut aufschreien. Wenn schon, ich hab’s nicht gehört. Es war laut und lustig am Tisch. Der Plov schmeckte verdammt lecker! Und dann gab’s Wodka …




Und jetzt? Erstmal kein Fleisch – außer …


Nach all dem Lamm, Rind und Pferdefleisch (ja, das gab es auch!) hab' ich mir vorgenommen: Zuhause gibt es erstmal Wintergemüse, bis ich wieder weiß, wie eine Karotte ohne Fleischbeilage schmeckt. Ich freue mich auf Pastinaken, Rosen- und Grünkohl und die Gans, die wir am ersten Advents-Wochenende, Premiere!, auf dem Grill zubereiten werden. Mit Rotkohl, Maronen und Kartoffelklößen. Für und mit Freunden. Denen ich von meinen kulinarischen Erlebnissen in Usbekistan berichten werde. Und vielleicht, ganz vielleicht, machen wir irgendwann mal Plov. Aber ohne Schwanzfett.



Du bist neugierig, was es sonst noch für Leckereien in der usbekischen Küche gibt?

Schau' mal hier auf Arte



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