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Warum ich den hochoffiziellen BlahBlahBlah-Tag niemals vergessen werde

Autorenbild: Christine Ubeda CruzChristine Ubeda Cruz

Heute ist ein Feiertag? Ne, doch nicht heute - oder?

Na ja, irgendwo auf der Welt schon.


In unseren Breitengraden gibt es gesetzliche Feiertage religiösen Ursprungs wie Ostern und Weihnachten. Dann haben wir politische Feiertage, wie der Tag der Arbeit oder der Tag der Deutschen Einheit. Und Gedenk- und Jahrestage wie Weiberfastnacht, Muttertag oder der Tag des Bieres. Auch die Unesco würdigt weltweit bedeutende Sachverhalte, erinnert an Leistungen der Völkergemeinschaft oder lenkt die Aufmerksamkeit auf wichtige Zukunftsthemen mittels diverser Welttage.


Vor wenigen Tagen erst wurde der UNESCO Welttag des Buches und des Urheberrechtes begannen. In Deutschland flankiert von einer großen Werbeaktion in TV, Print und in den Buchhandlungen.


Und dann gibt es noch eine nahezu unüberschaubare Zahl von mehr oder weniger sinnvollen und kuriosen Feier- und Gedenktagen. Sowohl national als auch international. Die man nicht ernst nehmen muss. Aber kann! Denn Humor hilft ja bekanntlich in fast allen Lebenslagen. Oder bietet einen wunderbaren Gesprächsanlass, eine Steilvorlage für guten Smalltalk. Unsinn kann Spaß bereiten. Aber kann man Unsinn auch sinnvoll nutzen?!


Früher habe ich Tagungen organisiert. Und vor Ort betreut, also hautnah miterlebt.


Ein Gremien-Vorsitzender ist mir dabei in bester Erinnerung geblieben. Er hat in seiner Begrüßungsansprache immer auf den an diesem Tag stattfindenden Feiertag hingewiesen. Und hat sich hierfür besonders Ungewöhnliche rausgepickt. Seine Tagungseröffnungen begannen meist so:


“Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Herzlich willkommen...


Heute begehen wie den BlahBlahBlah-Tag*. Nicht, dass das ein Zeichen für die heutige Tagung sein soll. Nein, nein!"


Das Publikum lacht und klatscht. Zwischenrufe werden laut: Da können wir ja gleich wieder gehen!

Gut macht er das, so hat er direkt die Aufmerksamkeit aller Teilnehmer*innen. Er führt weiter aus:


"Dieser denkwürdige Tag geht auf das US-amerikanische Ehepaar Roy zurück. Die beiden haben in den letzten Jahren über 80 eigene, Markenrechtlich geschützte Feier- und Aktionstage ins Leben gerufen. Warum sie das tun, das weiß der Geier!


Hilft mir aber ungemein. Denn wo sollte ich sonst meine, wie Sie immer sagen, legendären Begrüßungsworte finden? Nun - beim BlahBlahBlah-Tag geht es darum, all die Dinge, Ideen und Projekte in Angriff zu nehmen, mit denen liebe Mitmenschen uns schon länger in den Ohren liegen, auf deutsch gesagt: nerven!


Darf ich Ihnen zwei Beispiele nennen:

1. Endlich mit dem Rauchen aufhören - das wünscht sich meine Frau von mir

2. Endlich die Sitzungsvorlage für die heutige Konferenz beim Veranstalter einreichen

Solche latent nervenden, weil wenig geliebten Aufgaben oder Forderungen kennen Sie sicher auch. Und heute ist ein guter Tag, um sich dieser zu entledigen!


Ob das mit „dem Rauchen aufhören“ in diesem Leben noch klappt? Das wissen die Götter. Aber die Sitzungsvorlage, ich erstelle sie wirklich nicht gerne, habe ich auf den letzten Drücker, aber pünktlich, eingereicht. Und so sitzen wir hier und können mit der Arbeit beginnen.


Meine Enkeltochter hat mich übrigens heute früh mit den Worten verabschiedet: „Opa, gehst Du wieder zu einer Deiner BlahBlahBlah-Sitzungen?”



Das Auditorium schmunzelt, quasselt und verneint vehement, dass man sich auf keinen Fall auf einer BlahBlahBlah-Sitzung befände. Der erste Fachvortrag beginnt.


Braucht es einen solchen “Feiertag”? Sicher nicht wirklich. Oder doch - siehe oben! Mindestens einem Mensch bot er Inhalt für eine kleine Rede. Die Aufmerksamkeit generierte. Die Zuhörer zum Schmunzeln brachte...


So ein Feiertag bietet Stoff, sich Gedanken zu machen. Leichte, humorvolle oder ganz ernste, tiefgreifende. Geht es beim BlahBlahBlah-Tag um leeres Geschwätz? Wie der verlegene Smalltalk über das Wetter? Oder - das manche Menschen Stille nicht aushalten können und sie deshalb mit Geplapper füllen? Beschäftigen wir uns zu viel mit dummen, belanglosem Gerede und Klatsch? Statt mit den wirklich wichtigen Dingen? Gibt es dieses BlahBlahBlah-Virus, weil wir ständig und überall reden können - in unsere Mobiltelefone? Und klingen diese Gespräche, nein Monologe, für die Ohren, für die sie eigentlich nicht bestimmt sind, nicht wie ein ganz großes BlahBlahBlah?


Auch das klügste Wort bleibt am Ende nur Geschwätz wenn es nicht auf irgendeinem Wege zu Taten führt

Arthur Schnitzler



Und da bin ich dann wieder bei meiner Tagung. Es werden viele, sehr viele kluge Worte gesprochen. In den Vorträgen auf der Bühne, in den Workshops in kleinen Gruppen. Fachvorträge, Expertenmeinungen, Wissensvermittlung. Teilnehmer und Referenten tauschen sich rege miteinander aus. Beim Kaffee, in den Pausen und beim Essen.


Ob aber die klugen Worte der Tagung am Ende zu Taten führen, dass lässt sich nur schwer nachvollziehen.


Hat also die Enkelin des Gremienvorsitzenden doch recht mit Ihrer Aussage: „Gehst Du wieder zu einer Deiner BlahBlahBlah-Sitzungen?“



Welcher ist Dein liebster Feier- oder Gedenktag?

Eher einer der Klassiker? By the way: Am 9. Mai ist Muttertag!



*Der BlahBlahBlah-Tag wird jährlich am 17. April begangen

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