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  • AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Urlaub - funktioniert nur, wenn man weit weg fährt! Wirklich?!

Aktualisiert: 21. Nov. 2021



Häufig glauben wir, uns nur weit weg von zu Hause richtig erholen zu können.

Ist es aber nicht so, dass wir uns immer selbst mitnehmen? Mit allem was in uns ist? Das Schöne, und auch das weniger Schöne?

Ich habe herausgefunden, wie und wo ich wirklich auftanken kann - Jederzeit.

Nun sind Ferien und Urlaub schon einige Zeit vorbei. Der Herbst zeigt neben Gelb-Gold-Feuerrot und Himmelblau häufig ein trübes Grau. Sehnsüchtig schaue ich Urlaubs-Schnappschüsse aus den letzten Jahren an. Fotos von vergangenen Zeiten mit türkisblauen Buchten, flammenden Sonnenuntergängen, malerischen Gassen, lachenden Menschen. Sommer, Sonne und Leichtigkeit. Bei jedem Foto denke ich, wie großartig es wäre, jetzt wieder weit weg von zu Hause in einer Bar zu sitzen. Oder am Strand entlangzulaufen und den Wind um die Ohren zu spüren, der meine trüben Gedanken einfach wegbläst.


Ich sehne mich danach, zu reisen und zu spüren, wie mein Ballast vom Meereswind weggeweht wird


Solche Fluchtgedanken kommen mir immer mal wieder. Dann würde ich so gerne mein altes ICH einfach abstreifen und zu Hause lassen. Auch neige ich dazu, andere Orte zu glorifizieren. Ist ja wo anders. Die Luft riecht anders, der Kaffee schmeckt anders. Und ich habe die große Hoffnung, dorthin würden mir meine Schwierigkeiten nicht folgen. Manchmal klappt das auch. Für ein paar Tage scheint alles easy. Doch dann spüre ich, dass ICH mich doch mitgenommen habe.


Irgendwo habe ich gelesen, das hinter dem Wunsch zu verreisen, der Hang zur Vermeidung steckt. Das wir Schmerz, Angst, Problemen aus dem Weg gehen wollen, sei biologisch begründet. Da meldet sich das Steinzeit-Hirn. Angriff oder Flucht. Wir wählen oft Zweites. Die kurzfristige Belohnung scheint attraktiv. Weggehen die einfachere Lösung. Unsere Frustrations-Toleranz ist wenig ausgeprägt. Oder, in Zeiten wie diesen, überstrapaziert. Wir wollen nicht akzeptieren, das Traurigkeit oder auch einfach mal Langeweile zum Leben dazugehören. Eine beliebte Flucht: Verreisen! Und erwarten, dass wir uns eine Zeit lang nicht mit unschönen Gedanken und Gefühlen auseinandersetzen müssen.


Der Mensch bereist die Welt auf der Suche nach dem, was ihm fehlt. Und er kehrt nach Haus zurück, um es zu finden.

George Moore


So ist es mir vor ein paar Wochen ergangen. Hier zu Hause war mir auf plötzlich alles zu eng. Zu trübe. Ich hatte das Gefühl, viel zu lange nicht mehr das Meer gesehen, seine steife Brise gespürt zu haben. So machte ich mich auf den Weg an die Nordsee. Ein Landstrich, den ich liebe. Mit Menschen, die nicht viel quatschen. Und Möwen, die Dir das Fischbrötchen aus der Hand klauen. Ruhe, Watt und Wasser, Wind und Sonne. Strand.


WO IST DAS MEER?


Mein erster Gang geht stets hoch auf‘n Deich. Immer. Ich will ja das Meer sehen, riechen, spüren - und zwar JETZT! Ich bin da - und - das Meer ist weg - Ebbe! So ergeht es mir IMMER, wenn ich an der Küste ankomme. Das ist mein „Running Gag“…


Also gut, weiter zur gebuchten Pension. Moin - eine herzliche Begrüßung und erstmal einen ausführlichen Schnack. Die Betreiber sind genau das Gegenteil schweigsamer Friesen - fröhlich und äußerst gesprächig. Nett. Macht Laune. Mein Zimmer - na ja! Die Fotos im Netz sind deutlich attraktiver als die Einrichtung in der Realität. Gibt wohl auch Filter für Interieur-Fotos. Nicht wirklich „mein“ Wohlfühlplatz. Aber, ach was soll’s! Das Bett ist gut, das Bad O.K. und ich will ja viel Zeit draußen verbringen. Am Meer…


Doch da tut sich der nächste Riss im Bild „meiner“ Ferien-Idylle auf. Die kleine Ortschaft - total überlaufen. Wie auch die Strandpromenade. So unglaublich viele Menschen - haben die denn keine Heimat? Überall - Masse statt Klasse! Und ich mittendrin. Voller Sehnsucht nach schönen, stürmischen oder wohligen, ruhigen Orten ohne Pommes-Duft. Leider Fehlanzeige.


GEFUNDEN - MEIN PLATZ UND MICH


Nach wenigen Tagen trete ich wieder die Flucht an. Zurück nach Hause. In mein Nest. Wo ich mich wohl fühle. Jetzt freue ich mich über den Nebel auf der großen Wiese im Stadtwald. Und auf die bequeme Sitzbank in meinem Lieblings-Kaffee. Wo ich bei leckerem Kaffee lesen, schreiben und (wenige) Leute gucken kann. Mit frischem Kuchenduft…



Hier habe ich gefunden, was ich in der Ferne suchte. Ein angenehmes Umfeld, liebe Menschen, hübsche Dinge, ein wohltuendes Interieur und mich. Denn mein ICH hat festgestellt, es muss gar nicht weit weg! All das, bis auf das Meer, was ich weit weg gesucht habe, habe ich hier, daheim!


Bevor ich das nächste Mal in den Urlaub flüchte, werde ich erst einmal über das WARUM nachdenken. Welches Bedürfnis steckt hinter meinem Wunsch? Erholung? Neugierig auf Neues? Oder bin ich genervt? Vom Alltag gelangweilt?


Seit vergangenem Jahr haben solche Gedankenspiele für mich an Bedeutung gewonnen. Weit und länger wegfahren war ja nicht wirklich möglich. Dafür aber Zeit zum Nachdenken. Darüber, was ich eigentlich am Urlaub so schätze. Und ich habe festgestellt, dass mein ausgeprägter Fluchtreflex oft genau das überlagert und unterdrückt hat, was ich mir eigentlich wünschte. Es musste immer möglichst weit weg gehen. Ich wollte etwas sehen und erleben. Am besten aufregend und spektakulär. Neu. Ich wollte neugierig sein. Ein Nachteil dieser Neugierde ist, dass sie mich rastlos machte. Und die gewünschte Inspiration, das Abenteuer oder die Ruhe sich nicht einstellten.


Aber jetzt weiß ich, dass ich vieles davon, was ich bisher in weiter Ferne suchte, auch in meiner Nähe erleben kann. Wie das?


  • Ich liebe es, ab und an mal ausführlich zu frühstücken. Und ja - manchmal hab‘ ich einfach keinen Bock, alles selbst zuzubereiten. Und "nur" am heimischen Küchentisch zu sitzen. Dann flüchte ich mich in einen Mikro-Mini-Urlaub vom Alltag. Und gehe in ein schönes Café zum frühstücken. Oder mache bei schönem Wetter, mit Freund:Innen ein Frühstücks-Picknick. Wo jeder was mitbringt.

  • Ich liebe Ausflüge. Klingt erstmal recht tröge. Neudeutsch nennt man sie ja mittlerweile auch „Micro-Abenteuer“. Klingt schon etwas hipper. Mit meinem Lieblingsmann den Sonnenuntergang am Fluss genießen, an unserer Lieblingsstelle. Oder einfach mal rausfahren. Nach nur 30km fühle ich mich schon fast wie in einer anderen Welt.

  • Ins Museum gehen. Klingt erstmal auch nicht sooo sexy. Machen wir immer, wenn wir irgendwo weit weg sind. Besuchen mindestens eines der namhaften Museen. Nur, bisher (fast) nie zu Hause. Warum eigentlich nicht? Frankfurt bietet ein ganzes Museums-Ufer. Vergangene Woche waren wir im Frankfurter Städel. In der Ausstellung: Nennt mich Rembrandt. https://www.staedelmuseum.de/de/programm-rembrandt. Live und direkt vor Ort. Eine tolle Ausstellung. Spannend gestaltet, gut arrangiert. Mit Audioguide ein Hochgenuss.

  • Essen gehen ist für mich auch so ein Micro-Abenteuer. Nicht beim Stamm-Italiener. Das ist Nahrungsaufnahme. Nee - was Neues ausprobieren. Eine andere Landesküche testen. Ein neues Lokal besuchen. In einem anderen Stadtteil….

  • … to be continued

Meine Reise an die Nordsee hat mich am eigenen Leib spüren lassen: Nicht immer finde ich mein Glück in der Ferne! Es hat mich gestresst, den Menschenmengen an der See zu begegnen. Ich habe mich in meiner Pension nicht wohlgefühlt. Ich habe ständig nach einem schönen, heimeligen Ort für mich gesucht. Und leider nicht gefunden. Ich habe nicht das erlebt, was ich brauchte. Ruhe, Weite, lange, menschenleere Strände, eine knuffige Teestube, ein angenehmes Zimmer.


UM DIE EIGENEN BEDÜRFNISSE KÜMMERN


Aber ich habe gespürt, welche Kraft mir die Dinge geben, die ich zu Hause und in der Umgebung erleben kann und darf. Und das ist gut. Und eigentlich ein schöner Gedanke: Urlaub ist dazu da, damit ich mich um meine Bedürfnisse kümmere. Und nicht um das Urlaubsziel. Deshalb ist es auch gar nicht so schlimm, wenn ich mal nicht wegfahre. Statt zu flüchten - vor der Arbeit, vor Gefühlen und all dem Kram, reise ich im nächsten Urlaub einfach mal zu mir selbst.


Und irgendwann, hoffentlich bald, sicher und mit gutem Gefühl auch mal wieder in die Welt!

Wie ist das bei Dir? Urlaub in der Ferne und/oder bei DIR?








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