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  • AutorenbildChristine Ubeda Cruz

RUHE in BETON

Aktualisiert: 27. Sept. 2021



Nun ist sie ruhig. Sehr ruhig. Die Eva. Blut tröpfelt aus der Wunde an ihrer Stirn. Ihr Kopf liegt merkwürdig verdreht auf der Tastatur vor dem Bildschirm. Sie atmet flach. Gibt schmerzverzerrte Laute von sich.

Maria schaut sich die Szene von ihrem Schreibtisch aus an. Interessiert, aber teilnahmslos. Fühlt nichts. Kein Hilfsbedürfnis. Keine Reue. Wundert sich nur, dass das Blut viel dunkler scheint als in den Krimis im TV. Und so schnell gerinnt.


Und sie spürt: Befreiung! Sie kann wieder atmen. Ohne Beklemmung. Die Luft ist rein. Die Atmosphäre so viel leichter. Eine Last ist von ihr abgefallen. Ruhe. Freiheit.


Hektisch wird die Bürotür aufgerissen. Rettungssanitäter und Notarzt eilen zu Eva. Betasten vorsichtig ihren Kopf. Rufen ihren Namen. Prüfen den Puls. Und ihren Atem. Richten sie vorsichtig auf. Geben ihr Unterstützung. Untersuchen ihre Verletzung. Und versorgen die Wunde.


Auf einmal wird sie wach. Schaut verwundert um sich. Scheint verwirrt. Der Notarzt spricht sie an. Ihre Augen wandern hektisch durch den Raum. Verharren auf dem Blut in der Tastatur. Dann schaut sie geradeaus. Nach Maria. Sucht ihre Augen. Tastend. Fragend. Erstaunt. Ungläubig.


Ein junger Polizeibeamte steht neben Maria. An ihrem Schreibtisch. Weiß nicht so recht, was er von der Situation halten soll. Was er tun soll.


Zwei weitere Personen betreten den Raum. Wenden sich an Maria. Stellen sich als die zuständigen Kommissare vor. Bitten Maria, mitzukommen. In einen anderen Raum. Bieten ihr einen Sitzplatz an. Und etwas zu trinken. Setzen sich. Und beginnen zu fragen.


MINDESTENS EINE MILLION FRAGEN

Maria schwirrt der Kopf. Da ist sie wieder weg - diese herrliche Ruhe, die klare Luft, die gute Atmosphäre. Die Kommissare löschern sie mit Millionen Fragen. Wie Gewehrsalven entladen sie sich in dem kleinen Raum. Und verwunden Maria. Ihre Schutzschichten. Die inneren und äußeren. Die lösen sich Stück für Stück auf. Wieder wünscht sie sich den Zauberumhang von Harry Potter. Umsonst. Die Löscher in ihren Panzern gehen immer tiefer. Treffen sie ins Mark. Ins Herz. Und in ihren Verstand. Sie rollt sich vornüber in sich zusammen. Der Schreibtisch-Stuhl droht umzukippen. Und zieht sich ihren dicken, festen, dunklen Pullover schutzsuchend über den Kopf. Sieht aus wie eine zusammengekauerte Mumie.

Sie fängt an zu schluchzen. Von ganz tief unten entwickeln sich diese undefinierbaren Geräusche von Trauer, großem Schmerz und tiefster Verzweiflung. Dicke Tränen rinnen ohne Unterlass über ihre Wangen. Durchnässen ihren Pulli. Machen sie schwer. Unendlich traurig. Müde.


Die Kommissarin legt ihr sachte die Hand auf die Schulter. „Maria“, sagt sie, „kommen sie. Eva ist verletzt.“ Und wir müssen nun gemeinsam klären, wie das passieren konnte.“


Ruhe auf 9qm Beton

Maria erwacht. Fühlt sich erfrischt. Und ausgeschlafen. So gut wie schon lange nicht mehr. Sie streckt und reckt sich genüsslich. Rollt zur Seite. Will gerade ihr Kuschelkissen greifen. Aber da ist: NICHTS! Fast wäre sie aus dem Bett gekullert. Komisch, ist ihr in ihrem übergroßen Prinzessinnen-Bett noch nie passiert. Sie öffnet die Augen. Ungläubig. In ihren Sinnen bildet sich die Frage: WO BIN ICH?

Unsicher schaut sie sich um. Ganz schön kleiner Raum. Eher nüchtern. Keine Bilder. Keine Gardinen. Keine Pflanzen. Kein Tinnef. Stattdessen Betonwände. Ein schmales Bett an der Wand. Aus dem sie fast rausgefallen wäre. Ein Tisch samt Stuhl. Praktisch. Darüber ein kleines Regal. Leer. An der anderen Wand ein Schrank. Und was ist das? Eine freistehende Toilette und ein Waschbecken.

Sie erschrickt! Wie komme ich denn in dieses Wohnklo???

Die nächtliche Traumfabrik


Maria dreht sich rum. „Ach, alles nur ein schlechter Traum“ denkt sie. Und schlummert wieder ein. Ruhig und sanft. Gleitet unaufhaltsam in den Tiefschlaf. Körper und Geist nehmen sich die Zeit, nun zu regenerieren. In tiefste körperliche Entspannung. Und Erholung.

Doch Marias Gehirn ist aktiv. Geradezu hyperaktiv. Es macht jetzt Inventur. Sortiert und verarbeitet Erfahrungen und Erlebtes. Die Logik ist ausgeschaltet. Und als Produkt dieses kognitiven Prozesses entstehen total wirre Träume. So wie jetzt. In Maria.

Es ist kalt. Eiskalt. Hart. Betonhart. Ein beklemmendes Schweigen liegt im Raum. Raubt die Luft zum freien Atmen. Alles ist voller Blut. Der Schreibtisch. Die Tastatur. Auf ihr liegt eine Person. Eine Frau. Sieht aus wie Eva. Mit einer klaffenden Wunde.

Maria sieht sich nach dem Locher greifen. Wiederholt die Frage an Eva. Und erhält: KEINE ANTWORT. Da holt sie aus und schlägt zu…


Wie alles begann? Kannst Du hier lesen: https://www.frauvommain.de/post/schweigend-wie-beton






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