top of page
  • AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Ihre Ware ist auf dem Weg!


Roboterarme die Pakete verschieben
Perfekte Logistik-Welt

Früher quoll der Briefkasten über. Heute mein E-Mail-Postfach. Wie in einem Schaumbad türmen sich schillernde Werbeblasen und wichtige Informationen auf. Ich komme kaum hinterher, dem Zufluss Einhalt zu gebieten. Oder besser gesagt, an den richtigen Stellen die "delete Taste" zu drücken.


Ein Großteil der E-Mails sind Werbe-Newsletter. Regelmäßig mache ich mir die Mühe, sie abzubestellen. Und genauso regelmäßig ploppen sie wieder in meinem Posteingang auf. Manchmal mehrmals täglich. Ich würde wirklich gerne verstehen, welcher Algorithmus, welche total clever ausgeklügelte Werbestrategie dahinter steckt. Auf jeden Fall scheint die Programmierung besorgt zu sein. Darüber, dass mir die Farbpatronen für den Drucker schon wieder ausgehen. Die hatte ich vergangene Woche bestellt. Die Dinger sind jetzt im Drucker und im Vorrat. Und nein, sie sind nicht schon wieder aufgebraucht.


Ich vermute, hinter dem Versand der Sinn- und nutzlosen Newsletter, Statusinfos und Angeboten steckt eine Art Überwältigungsstrategie. Die absendenden Firmen möchten sich tief in meine Hirnrinde einfräsen. Damit ich ja nie auf den Gedanken komme, woanders zu bestellen. Denn dann kämen noch weitere Mails hinzu. Und mein elektronisches Postfach würde weiter überquellen.


Ebenfalls im Überfluss fluten Informationen über den Versand-Status meiner Bestellungen die Datencloud. Danke für Ihre Bestellung! Ihre Bestellung wird verarbeitet! Zwischendrin informiert mich mein Zahlungsdienstleister, dass ich von einem anderen Gerät auf meine Daten zugegriffen habe. Und dann, dass ich die Summe X an den Dienstleister Y geschickt habe. Ein Algorithmus sendet mir die Information, dass die Ware dem Versand-Dienstleister elektronisch angekündigt wurde. Ein weiteres Mail begrüßt mich mit: Gute Neuigkeiten! Wir haben Ihre Bestellung an unseren Versandpartner übergeben! Der lässt mich wiederum wissen, dass meine Bestellung auf dem Weg zu mir sei. Darauf folgt: Tut uns leid, die Zustellung Ihres Pakets verzögert sich. Dann wieder: Ihre Bestellung befindet sich in der Zustellung. Oder: Ihre Bestellung wird demnächst bei Ihnen eintreffen! Sie sind nicht da? Wählen Sie eine alternative Lieferadresse. Herzlichen Dank. Wir haben vermerkt, dass Ihre Zustellung da oder dort hinterlegt wird. Oder: Leider haben wir Sie nicht persönlich angetroffen. Sie können Ihrer Bestellung morgen ab 10.00 Uhr in unserem Paketshop abholen. Äh, echt jetzt? Ich saß den ganzen Tag zu Hause am Schreibtisch. Die Klingel funktioniert. Warum hat der Zusteller mich nicht angetroffen???



Keine Nachricht ist auch eine Nachricht!


Sollen all diese Nachrichten meine Vorfreude steigern? Nun, die hält sich ehrlich gesagt bei der Bestellung von Druckerpatronen in sehr engen Grenzen. Die ordere ich auch nur online, weil sie hier in der näheren Umgebung nirgends offline zu erwerben sind.


Es wäre so einfach – und ganz ohne Datenmüll! Ein netter Mensch nimmt die passenden Druckerpatronen aus dem Regal, tippt den Verkaufspreis in die Kasse, ich bezahle und er reicht sie mir über die Ladentheke. Im Idealfall verbunden mit ein paar netten, menschlichen Worten und zweimaligem Dankeschön.


Vielleicht sollen die zahlreichen Info-Mails mir ein Gefühl von Kontrolle vermitteln. Dass hinter dem seelenlosen Anklicken eines Artikels und der elektronischen Verschiebung in den Warenkorb durchaus praktische Handlungen und reale Gegenstände stehen? Dass da eine menschliche oder technische Hand die Druckerpatronen für mich greift, verpackt und versendet? Und - da man ja keine akive Handlung sehen kann, die Status-Mails quasi meine Augen im Bestell- und Versandprozess sind?


Morgen bringe ich meine Karre in die Werkstatt. Zum Reifenwechsel. Und bis eben freute ich mich darauf. Den Termin dazu habe ich vor einigen Tagen ganz klassisch telefonisch vereinbart. Angerufen, Termin verabredet, aufgeschrieben. So ganz traditionell mit Mund, Ohr, Hand und Verstand. Bis eben glaubte ich auch noch, dass ich, total analog, morgen früh den Wagen hinstelle, die hilfreichen Hände im Laufe des Tages die Reifen wechseln, mich dann anrufen, damit ich bezahle und den frisch bereiften fahrbaren Untersatz wieder abhole. Doch da poppt ein Mail auf, das mich daran erinnert, dass ich morgen einen Termin zum Reifenwechsel hätte. Und ich mich doch bitte für die neue Web-App eintragen soll, damit die Werkstatt mich direkt und ohne Störung informieren kann, wenn der Wagen abholbereit ist. Das mach’ ich jetzt mal! Und bin gespannt, was passiert. Ob morgen neue, schöne Mails mein Postfach fluten, wie: Danke, Ihr Fahrzeug ist bei uns eingetroffen. Oder: Die Karre ist jetzt auf der Hebebühne. Gute Neuigkeiten: Alle vier Reifen sind gewechselt. Die Einlagerung der Winterreifen beginnt in Kürze...


Muss das sein? Wem nützt diese Informationsflut? Sprengt das nicht langsam alle E-Mail-Server? Oder führt es vielleicht dazu, dass wir bewusster handeln? Nur das Nötigste konsumieren, aus Angst vor der Flut an Nachrichten, die jede unserer Kaufentscheidungen auslöst. Wer „den ganzen lieben Tag lang“ damit beschäftigt ist, E-Mails zu löschen und Newsletter abzubestellen, hat weniger Zeit, noch mehr zu bestellen. Das schadet vielleicht der Wirtschaft, rettet aber möglicherweise die Umwelt. Und das Konto.

21 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page