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Graue Harmonie - oder - hat der Winter ein Imageproblem?

Autorenbild: Christine Ubeda CruzChristine Ubeda Cruz
Ein trauriges, ein neutrales und ein lachendes Smile vor der Frankfurter Skyline in der Nacht
Smile hat kein Imageproblem

Draußen ist es kalt, grau und nass. Die Tage sind kurz, die Nächte lang. Keiner will so wirklich vor die Tür. Viele Menschen mögen diese Jahreszeit gar nicht. Dabei bietet sie ganz besondere Möglichkeiten.


Vor einigen Tagen habe ich Schnee gesehen. Vor meinem Bürofenster. Munter tanzten richtig viele, fette, weiße Flocken. Das ist toll. Also ich finde das so. Mein Anspruch als Frankfurterin ist da eher bescheiden, zumal der Schnee hier meist nicht liegen bleibt. Aber für mich ist es der Beweis, dass nun Winter herrscht.


Ich liebe diese kleinen hellen Momente. Und stehe damit in meinem Umfeld ziemlich allein da. Die einen stöhnen, dass sie jetzt zu Besen und Streu greifen müssen. Und andere sind gereizt, weil wirklich kein Autofahrer mit den paar Flocken auf der Straße klarkommt. Nur die Nachbarskinder sind voller Freude und pappen aus dem bisschen gefrorenem Weiß einen kleinen Schneemann zusammen.


Schnell ist die weiße Pracht dahin, der Schneemann weggeschmolzen und da draußen ist es wieder dunkler, kälter und ekliger. Die Aussicht: kaum Licht! Das morgendliche Aufstehen fällt schwerer, frische Luft schnappt man allenfalls bei der kurzen Stoßlüftung – Fenster auf und schnell wieder zu – des Arbeitszimmers. Selbst der Hund der Nachbarin gegenüber tapst gelangweilt mit eingeklemmten Schwanz hinter seinem Frauchen hinterher.



Winterblues: Wenn die Sonne Urlaub macht und uns nicht mitnimmt


Die Sonne ist weg, und wir, wenigstens die meisten von uns, sind hier. Gut, wahrscheinlich muss auch die Sonne mal Ferien machen. Aber warum muss sie dazu so weit weg reisen? Und so lange dort bleiben? Ist das ökologisch und ökonomisch sinnvoll? Und wer erlaubt eigentlich, uns hier einfach im Dunkeln sitzen lassen?


Der Winterblues überkommt jährlich viele. Entsprechend groß ist auch die Anzahl der Ratgeber. Was tun, wenn nicht nur das Wetter, die Temperaturen, sondern auch die Stimmung kippt? Frag Google. Oder besser nicht. Denn da kannst Du Dich in den Tipps so verlieren, dass Du das Frühjahr verpasst. Braucht es das alles wirklich?



Vielleicht hat die dunkle Jahreszeit ein Imageproblem?!


Ich glaube, der Winter hier bei uns hat ein Imageproblem. Mieses Wetter bedient ganz wunderbar unser Mecker-Gen. Endlich ein Thema, über das wir uns ziemlich einig sind und so richtig schimpfen können. Und viel Zuspruch erhalten. Weil es ja so viele richtig blöd finden.


Vielleicht sollten wir es mal anders betrachten. Und die dunkle Zeit als Ansporn nutzen, mehr auf uns selbst zu achten. Und dabei der ganzen Selbstoptimierungs-Industrie den, mit dem Lieblingsschlabberpulli gewärmten, Rücken zuwenden.


Was ich damit meine? Wenn im Sommer die Sonne strahlt, will ich das gute Wetter nutzen. Wenn es draußen lange hell ist, "muss" ich mich verabreden und die lauen Abende bis in die Nacht mit FreundInnen und mindestens einer Schorle verbringen. Klar, das ist alles sehr schön. Aber manchmal auch echt anstrengend.


Und jetzt, im Grauen, ist alles so harmonisch. Jetzt kann ich endlich unentschuldigt machen, was ich will: NIX! Ich darf ohne schlechtes Gewissen auf'm Sofa rumhängen und dem Regen lauschen, während ich ein Buch lese. Und abends raus? Eigentlich eine gute Idee, Claudia, aber ich kann heute leider nicht. Ich muss diesen Beitrag noch überarbeiten. Und schon sitze ich im geheizten Arbeitszimmer und sehe dem hellen Grau zu, wie es zu sehr dunklem wird. Und das bereits um 16.30 Uhr. Das hat doch was? Sanfte Ton-in-Ton Harmonie in Grau statt gleißendes Sonnengelb vor Knallblau?


Ich find’s gerade ganz gut, mich in der dunklen Jahreszeit ein wenig zu suhlen. Und stark an meiner ganz persönlichen Selbstoptimierung zu arbeiten. Mit heißem Tee, manchmal sogar einer Tasse Schokolade, den letzten Weihnachtskeksen und Krümeln auf der Lieblingsdecke. Ich mag auch, jetzt den ganzen Inhalt meines Kleiderschranks zu nutzen. Denn nun kann ich quasi alles tragen. Wenn’s hart, sprich richtig kalt kommt, sogar übereinander.


Ich kann endlich Filme schauen, die ich im Sommer verpasst habe. Entspannt unter die Decke gekuschelt, mit einem Glas Rotwein in der Hand, ist das was ganz anderes als bei sommerlichen Temperaturen. Denn da schaue ich fast nichts. Da zieht es mich raus, zu den FreundInnen und der Schorle.


Was am Winter auch gut ist: Es gibt (fast) kein Viehzeug. Also Insekten, nervende Wespen und Spinnen. Die sind in unseren Breitengraden zu der Jahreszeit einfach nicht da. Und ach ja, die Vögel. Die schweigen gerade auch. Also zumindest am Morgen. Und lassen mich länger schlafen …


Das alles macht die Winterzeit für mich zu einer guten Jahreszeit. Hat was für sich, diese graue Ton-in-Ton-Harmonie …


Und wenn mich dann doch der Winterblues packt, denke ich an das Frühjahr. Denn ganz ehrlich, trotz allem Zweck-Optimismus:


Für mich ist das Beste an der dunklen Jahreszeit, dass auch sie vorbeigeht!




Fotos: Winterlichter im Palmengarten Frankfurt


39 Ansichten2 Kommentare

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2 Comments

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Guest
Jan 30

Eine wunderbare Sicht auf den Winter, Dankeschön für den neuen Blickwinkel, alles Liebe und schöne Grüße vom Bodensee, Helene

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Christine
Jan 31
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💕 lichen Dank liebe Helene

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