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  • AutorenbildChristine Ubeda Cruz

Bedroht: Spontan-Gewässer

Aktualisiert: 23. Juli 2023


In einer von Trockenheit bedrohten Welt erlangen sie mittlerweile eine besonders wertvolle Bedeutung. Vögel trinken aus ihnen, Insekten leben darin, Autos fahren hindurch, Erwachsene meiden und Kinder lieben sie. Mit und ohne Gummistiefel. Sie bilden sich auf Wald- und Feldwegen. Und auch in unserer glatten, gepflasterten oder geteerten Welt sind sie (noch!) da. Und dann wieder weg - die Pfütze!


Vergangenen Dienstag. Der Himmel hatte an diesem Tag „many different shades of grey“ und war nun Nachtschwarz. Keine Sterne, kein Mondlicht war zu sehen. Die alte Gaslaterne flackerte schwach in der regennassen Luft. Alles war klitschnass. Selbst die Gullys verweigerten die Aufnahme weiterer Wassermassen. So staute sich das Nass zu kleinen Seen. Geschickt umkurvte ich das erste Hindernis, setzte zum Sprung auf den Bordstein an und landete in einer weiteren Pfütze. Kalte Nässe drang erst durch die Schuhe, erreichte Fluchs meine Socke und lies meine Füße frieren.

Und mich fluchen 🤬



Dann saß ich im Auto. Und musste grinsen. Und dachte an die Kinder unserer Nachbarin.


„Spring in Pfützen“, gab Astrid Lindgren kleinen und großen Kindern mit auf den Weg. „Sei frech und wild und wunderbar.“


Dafür brauchen die Kleinen keine Aufforderung. Sie tun es einfach. Frech. Wild. Wunderbar. Und fühlen sich dabei einfach herrlich. Spüren keine feuchten Socken oder kalte Füße. Nur Freude. Neugierde. Abenteuer. Kinder LIEBEN Pfützen. Kaum hat sich ein kleines Rinnsal auf dem Weg gebildet, hüpfen sie freudestrahlend darin herum. Sofort. Jetzt. Unbedarft. Voller Freude. Und wenn sie sich dann ausgetobt haben, erkunden sie die Wasserlache. Weder Schmutz noch Morast können sie davon abhalten, ganz genau zu erforschen, was und wer sich so alles in der Brühe tummelt. Stolz präsentieren sie ihre Funde: Regenwürmer, Insekten, Kieselsteine, Kronenkorken, Cent-Stücke … Oder sie sehen Figuren, Fabelwesen und abstrakte Formen in der Wasseransammlung. Ihrem Ideenreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Für Kinder sind Pfützen wahre Fundgruben, kleine Paradiese. Schlicht: etwas ganz Wunderbares!




Don't forget to HÜPF - steht auf einem Magnet an meiner Pinnwand! Und weißt Du was: Wir sollten alle viel öfter mal hüpfen. So generell und überhaupt. Und auch in Pfützen. Sie machen Spaß. Oder nass. Sind etwas besonderes. Und sie sind hübsch. Ja - richtig gelesen! Sie spiegeln unsere Welt in wundersamen Formen und Farben wider. Verzerrt, zitternd, kopfstehend. Schillernd bunt wie ein Regenbogen oder grau in allen Schattierungen.


Auch eine Pfütze spiegelt den Himmel

(Netzfund)



Ist Dir noch nie aufgefallen? Dann halte bei der nächsten Pfütze einfach mal kurz inne. Schau‘ rein. Und Du siehst ein Bild. Vielleicht auch Dein Spiegelbild. Und dann bewege ganz vorsichtig mit Deiner Schuhspitze das Wasser. Und jetzt? Die Ansicht verändert sich. Zittert. Oder ist verzerrt. Und dann beruhigt sich das Wasser. Das Anfangsbild wird wieder sichtbar. Und Du? Hast soeben einen Minifilm geschaut. Und den Verlauf selbst beeinflusst.


Noch ist das möglich. Noch! Denn die, wie man unter Fachleuten sagt, kleinste Form der stehenden Gewässer ist vom Aussterben bedroht. Der Klimawandel lässt Seen schrumpfen. Flüsse werden zu Rinnsalen. Talsperren leeren sich. Und folgerichtig ist das kleinste aller Gewässer als erstes verschwunden. Dabei ist jedes dieser kleinen Spontan-Gewässer ein eigenes Ökosystem voller Leben. Einmalig, einzigartig.


Erwachsene scheint das weniger zu stören. Kinder mögen dies bedauern. Aber wie äußert die Tierwelt ihr Bedauern? Ihr Unverständnis? Ihren Zorn über die Zerstörung ihrer Heimat? Kleben sich Würmer, Larven und Insekten am Boden fest?

(Vorsicht: Wortwitz! 😜)



Also: Wenn ich das nächste Mal wieder Pfützen sehe, freue ich mich. Und je nach Schuhwahl, tippe ich das Wasser an und schaue einen Minifilm. Oder ich hüpf’ rein. Und freu mich. Wie ein Kind. Ich denke an die unzähligen kleinen Lebewesen in dem Nass. Und ich bin dankbar, dass es gerade jetzt und hier diesen Mini-Tümpel gibt. Der morgen, wenn die Sonne ihn austrinkt, wieder verschwunden sein wird. Bis zum, hoffentlich, nächsten Regenfall.

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