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Prinz Protz und die blaue Küche

  • Autorenbild: Christine Ubeda Cruz
    Christine Ubeda Cruz
  • vor 4 Tagen
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 3 Tagen

Bauhaus Farbsprektrum rosa-gelb-bla

Michi steht vor der Tür und überlegt, ob sie wirklich hineingehen soll. „Bin ich eigentlich komplett bescheuert?“, murmelt sie und fummelt nervös am Schlüsselbund. „Bitte, bitte seien Sie so lieb und füttern sie meinen Vogel, hat sie gesagt.“ Und gewitzelt, dass sie mehrere hätte. Um sich dabei galant an ihr weiß behaartes Köpfchen zu tippen. Michi lacht trocken. Frau Vogl ist schließlich nicht irgendwer – sie ist … na ja, sagen wir mal: eine sehr clevere und schlaue ältere Dame.


Mit der Entschlossenheit einer, die nie nein sagen kann, schiebt Michi den Schlüssel ins Schloss. Die Tür gibt erst ein dramatisches Quietschen von sich, dann öffnet sie sich mit einem sanften Klick und gibt den Blick in den Flur frei. Weißes Licht, weiße Wände, Türen, Decke und Boden -alles so weiß, dass es fast blendet. Und oben auf einer Stange, wie auf einem Thron: ein Kakadu. Komplett weiß. Schiefes Köpfchen. Neugieriger Blick. Plötzlich krächzt der Vogel: „Hallo!“ – klar und deutlich. Michi grinst. Und geht näher heran. Wie im Zoologischen Garten befindet sich an der Wand ein graviertes Schild mit der Aufschrift:

HERR KREISCHMANN

Weißhaubenkakadu

Herkunft: Indonesien, Molukken


„Na, Herr Kreischmann, alles paletti?“, fragt Michi. „Alles roger in Kambodscha!“, kräht er. Michi lacht. Klar. Ein Sprücheklopfer. Passt zu Frau Vogl, die ihren Kakadu vermutlich mithilfe ihres Neffen, der gerne die Phrasen seines Großvaters wiedergibt, wie sie immer erzählt, sozialisiert hat.


Der Kakadu hat Hunger. Natürlich. Mit einem energischen Flugmanöver landet er vor Michis Füßen und watschelt los. Frau Vogl hat ihr erklärt, dass das Futter in einer Kammer in der Küche zu finden ist. Michi folgt dem Vogel– und bleibt wie angewurzelt an der Türschwelle stehen. Die Küche ist … blau. Nein, nicht irgendein blau. Sondern: das "blaueste" Blau, das Michi je gesehen hat. Ein Blau, das man aus Magazinen vom Jardin Majorelle in Marrakesch her kennt. Michi traut kaum ihren Augen. Ist das wirklich Frau Vogls Wohnung? Die hat Mut und Stilgefühl, denkt sie. Welch eine Farbe. Wie außergewöhnlich.


Michi schaut in die blaue Küche. Und staunt nicht schlecht. Direkt vor der Balkontür steht ein Pfau. Ein echter. Und wie zur Begrüßung breitet er seinen Federschweif aus. Wie ein Haute-Couture-Kleid denkt Michi. Und neben ihm, an der blauen Wand ein Schild:

PRINZ PROTZ

Blauer Pfau (lat. "Pavo cristatus")

Herkunft: Indien


Michi: „Na dann, Bonjour, Euer Hoheit!“ Da schreit er Pfau so markerschütternd wie eine Katze, der man auf den Schwanz getreten ist. Und Herr Kreischmann kontert. Michi entscheidet schnell: erst füttern, dann weiter sehen.


Sie öffnet die Vorratskammer. Frau Vogl hat ein System, das Marie Kondo neidisch machen würde. Boxen farblich kodiert und schicke Porzellanschälchen, handbemalt mit den Namen ihrer tierischen Mitbewohner. Michi serviert Prinz Protz sein Gourmet-Menü mit dem Respekt, den man einem Model-Pfau schuldet, dann ist Herr Kreischmann dran.


Gut denkt Michi, erledigt. Jetzt muss ich doch mal spicken, welche Pinterest-Farbcodes in den anderen Räumen umgesetzt sind. Beherzt öffnet sie die nächste Tür – und steht in einem weiteren Abstellraum. „Wow. Na, immerhin lebt Frau Vogl auch in der Realität.“


Aber dann! Bam! Michi bleibt der Mund weit auf vor Staunen auf. Hinter der nächsten Tür findet sie feinste Bauhaus-Vibes. Farben, Möbel, zeitlose Eleganz – sie fühlt sich wie in einem Designmuseum. Gerade will sie sich auf die Corbusier-Liege fallen lassen, da nimmt sie im Augenwinkel eine Bewegung wahr. Gemächlichen Ganges, der eher dem Schreiten in einem kaiserlichen Tempel gleicht, als dem gewöhnlichen Tapsen einer Hauskatze, nähert sich eine grau-pointierte Katze. Ihr Blick aus stahlblauen Augen scheint zu sagen: „Du bist aber spät dran!“ Einschmeichelnd streift sie Michis Bein.


Natürlich will die Diva gefüttert werden. Und natürlich hat sie eine eigene Box im Vorratsraum, einen eigenen Marmor-Napf. Mit Petersilie wäre es ein Werbespot, denkt Michi und richtet Wasser und Futter für die Samtpfote.


Zufrieden lehnt sie sich im Flur an die Wand und denkt: "Frau Vogl, Sie haben eindeutig Stil. Und sind etwas speziell – aber auf die charmanteste Art."


Gerade will sie sich auf den Heimweg machen, da ertönt ein leises Brummen aus einem der weiteren Zimmer. Eine Tür schiebt sich langsam, wie von Zauberhand, auf. Michi schaut überrascht hinein. Es ist dunkel. Doch plötzlich huscht ein roter Lichtstreifen über den Boden. Gefolgt von einer metallisch klingenden Ansage: „Achtung, biologisches Chaos im Sektor Flur. Initiiere Reinigungsprotokoll. Vorsicht!“


Ein schwarzer Saugroboter gleitet majestätisch über den gleißend weißen Fußboden. Mit eleganter Präzision saugt er kleine Federn und Körner ein, die Herr Kreischmann offenbar im Überschwang der Gefühle fallen ließ. Plötzlich ruft der Kakadu: „Immer schön sauber bleiben!“ Mit den Worten "Reinigungsprotokoll abgeschlossen" verschwindet der Roboter wieder in die Dunkelheit seiner Kammer.


In diesem Moment brummt ein Telefon auf dem Couchtisch. Michi geht neugierig hin, der Bildschirm leuchtet auf: eingehender Anruf – Frau Vogl. Erst zögert sie. Dann nimmt sie das Gespräch an.


„Na, liebe Michi“, säuselt eine fröhliche Stimme, "haben Sie meinen Assistenten kennengelernt? Ich hoffe, er hat sich benommen. Manchmal hält er sich für Meister Proper". Michi lacht. "Ganz ehrlich? Er ist es."


Frau Vogl kichert: „Na dann, bis morgen. Und keine Sorge – die anderen Zimmer sind völlig normal. Na ja … fast.“ Tut-tut-tut.


Michi starrt erst auf das Handy, dann zu den beiden letzten, noch geschlossenen Türen.

Sie hebt eine Augenbraue. Wirklich?

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1 comentario

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Pia
vor einem Tag
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Was für eine schöne Geschichte! Ich habe das blaueste Blau jetzt vor Augen - muss als daran denken. 😆

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