
Zur Zeit hege ich einen sehr, sehr großen Wunsch. Weiß aber ganz genau, dass das Wünschen alleine nicht reicht. Sondern das ich zur Erfüllung aktiv werden muss. Und nicht nur ich …
Wünsche sind was Schönes. Häufig ist ein Wunsch das Begehren nach einer Sache oder einer Fähigkeit. Oder die Hoffnung auf eine Veränderung der Realität. Wünsche sind gerne auch etwas sehr Bequemes. Man illusioniert so vor sich hin, äußert seinen Wunsch und hofft, dass andere, oder irgendeine "andere Macht", machen. Und diesen Wunsch erfüllen.
Canan wünscht sich ständig etwas. Schönes Wetter für morgen, einen freien Parkplatz genau vor der Tür, Harmonie in ihrer Beziehung, ganz viel Geld und ach ja, ewige Gesundheit. Sie "schwört" auf das sogenannte Manifestieren. Und das schon seit mehr als 25 Jahre. Damals fiel ihr das Buch "Bestellung beim Universum" in die Hände und seitdem bestellt sie dort, und nicht bei Amazon. Gut so, ist so viel ökologscher. Und der Versender kann sicher vieles liefern, aber – noch! – keinen freien Parkplatz vor der Tür oder schönes Wetter.
Gestern waren wir gemeinsam spazieren. Und ja das Wetter war schön. Wahrscheinlich, weil Canan …, na ja, wahrscheinlich eher, weil endlich mal ein stabiles Hochdruckgebiet über unserer Region lag. Wir laufen so durch Wald und Feld und quatschen über dies und das. Themen halt, worüber gute Freundinnen reden. Auf einmal spricht Canan einen Punkt an, den sie bisher nie thematisiert hat: "Ich wünsche mir endlich politische Ruhe. Und ich wünsche mir, dass "die Richtigen" die Wahl gewinnen!".
Ich bin perplex. Denn ich kenne Canan schon sehr lange. Und wir haben noch nie über Politik gesprochen. Leicht lächelnd erwidere ich: "Also, die Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, die gibt es nur noch in Grimms Märchen. Und das erzählt man heute auch keinem kleinen Kind mehr."
Canan erwidert euphorisch: "Ich mach’ einfach 'ne Bestellung beim Universum! Eine für politische Ruhe und danach eine für den Sieg "der richtigen" Partei. Ich kann das Hin und Her der Politiker in Berlin nicht mehr ertragen. Ich manifestiere meinen Wunsch und sehe ein friedliches Land mit glücklichen Menschen vor mir. Alles läuft in geordneten Bahnen, ist sicher, friedlich und gut!"
Nachdenklich bleibe ich stehen. Ich weiß, dass die Idee des Manifestierens die ist, durch Visualisierung Wünsche wahr werden zu lassen. Gutes und Schönes wollen: ganz wunderbar! Ich glaube allerdings nicht, dass manifestieren in dieser Situation hilft. Wenn man es sich auch nur ein klein wenig überlegt, und nicht an pseudoreligiöse Argumente oder das Mittun eines gütigen Universums glaubt, kann das niemals funktionieren. Zudem habe ich gerade gelesen, dass Manifestierer ihre Wünsche seltener erreichen, weil sie, statt sich mit aller Kraft ins Zeug zu legen, zu sehr auf einen guten Ausgang vertrauen.
Der Wunsch ist der Vater des Gedankens.
An Canan gerichtet, sage ich: "Würde das Manifestieren funktionieren, dann müssten wir alle uns verdammt fest konzentrieren um zu verhindern, nicht aus Versehen was Doofes oder Falsches zu wünschen. Denn: was passiert, wenn Andere sich etwas ganz anderes für unser Land wünschen? Welchen dieser, sich vielleicht widersprechenden, Wünsche sollte das Universum denn erfüllen? Deinen oder den der anderen? Ich denke, wir müssen beim alten System bleiben: am Wahltag unsere zwei Kreuze an der richtigen Stelle machen. Auf das sich Mehrheiten bilden. Und einen demokratischen Entscheidungsprozess der Bevölkerung abbilden. Daraus eine neue Regierung entsteht, die zum Wohle aller Menschen handelt."
Lächelnd hackt sie sich bei mir unter. Beschwingt laufen wir weiter. Canan sagt: "Ach, Du ewige Realistin. Hast Du nie Wünsche?" "Doch", entgegne ich, "den, dass am 23. Februar sehr, sehr viele Menschen wählen gehen. Und den, das wir uns nach der Stimmabgabe am Wahllokal treffen, spazieren gehen und lachend in der Eisdiele landen. Du kannst ja schon mal ’ne Bestellung für gutes Wetter aufgeben."
*Danke an den Song der Toten Hosen, der mich zu diesem Beitrag inspiriert hat. Und ja, ich habe den Refrain etwas umgewandelt. Gerade sehe ich, dass Campino den Text bereits 1993 geschrieben hat. Hat sich vielleicht die Autorin von "Bestellung im Universum" davon leiten lassen?
Also ich glaube, das mit dem Manifestieren läuft etwas anders. Das Universum macht da gar nix, sondern wir selbst. Ich "wünsche" mir einen freien Parkplatz, dann bin ich fokussierter und sehe ihn eher. Ich "wünsche" mir gesicherte Finanzen, dann tue ich "unbewusst" mehr dafür, dass das eintritt, verkaufe besser, wirtschafte besser, gebe weniger Geld für unnütze Dinge aus etc. Also ich "wünsche" mir etwas, und dadurch werde ich dranbleiben an dieser Idee, mich darauf ausrichten. Sofern es ein attraktiver "Wunsch" ist. Das Blöde ist: Für Dinge, die völlig außerhalb meines Handlungsrahmens liegen, funktioniert es eben nicht. Also ich bin ganz bei dir: Wählen gehen, möglichst viele Menschen davon überzeugen, das auch zu machen und dann mit dem arbeiten, was dabei…